jdreher57 hat einen neuen Blog-Artikel erstellt: Hilfe, ich bin in der ADHS Selbsthilfegruppe!.
ZitatNach einigen Jahren in der SHG ADHS bin ich zu der Einsicht…
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jdreher57 hat einen neuen Blog-Artikel erstellt: Hilfe, ich bin in der ADHS Selbsthilfegruppe!.
ZitatNach einigen Jahren in der SHG ADHS bin ich zu der Einsicht…
Nach einigen Jahren in der SHG ADHS bin ich zu der Einsicht gekommen, dass es gar nicht so einfach ist, sich selbst am eigenen Schopf aus dem (ADHS-)Sumpf zu ziehen. Der erwachsene Betroffene hat ja meist in der Kindheit und auch später einige schlechte Erfahrungen gesammelt. Manchmal entwickelt er daraus eine positive Kompensation seiner Schwierigkeiten, nicht selten aber machen seine eigenen Bewältigungsversuche alles nur noch schlimmer. Nimmt man dann noch die neurobiologischen Besonderheiten des ADHS-Gehirns dazu, führt dies zu einem schwierigen Wahrnehmungs- und Kommunikationsstil und nicht selten kommt es dann zu weiteren Problemen mit den lieben Mitmenschen.
Diesen persönlichen Kommunikationsstil bringt er nun auch mit in die SHG. Dort sind dann dadurch Streit, Missverständnisse und Scheitern von Projekten vorprogrammiert. Cordula Neuhaus spricht deshalb vom „Syndrom der Missverständnisse“; ADHSler werden häufig missverstanden und verstehen auch andere häufig falsch – Kommunikation in der SHG wird so zum Hindernislauf.
Gleichzeitig bringt der ADHSler natürlich auch die positiven Seiten mit in die Gruppe: Er ist einsatzbereit, gerechtigkeitsliebend, kreativ, häufig intelligent, empathisch, begeisterungsfähig, sozial, spontan und assoziativ-tiefsinnig. Gerade wenn seine Begeisterungsfähigkeit aktiviert wird, kann er ja bekanntermaßen „alles".
In diesem Text möchte ich einige dieser kleineren oder größeren „Macken" vorstellen, damit unsere so wichtige SHG-Arbeit produktiver wird, diese Arbeit vor allem viel Freude und Spaß bereitet und auch, damit wir uns gegenseitig etwas helfen können. Jede ADHS-Familie ist übrigens ganz sicher immer auch eine „Selbsthilfegruppe“.
Wenn wir in der Gruppe dann mal einen Schubser bekommen, etwa wenn etwas nicht richtig oder zu spät gemacht worden ist, kann dies auch richtig weh tun. Für uns alle gilt wohl, was Fußballtrainer Otto Rehagel schön formuliert hat: „Niemand hatte eine dicke Haut." Wir sind eben häufig super-sensibel und deshalb auf die Unterstützung und den liebevollen Umgang der Mitmenschen mit uns sehr angewiesen.
ADHS-Wahrnehmungs- und Kommunikationsstile:
Exkurs: „Positive Wahrnehmungsverzerrung“ nach Carsten Dietrich: Sachverhalte oder eigene Fähigkeiten werden immer sehr positiv und unproblematisch einschätzt. Man klettert immer wieder eine Wand hoch und fällt immer wieder runter; trotzdem spricht man von sich in den höchsten Tönen: „Alles kein Problem, kriege ich hin, überhaupt keine Schwierigkeit!“ Es gibt wohl fast nichts Traurigeres als diese ADHS-Macke. Menschen mit dem größten Optimismus ins Messer laufen zu sehen, ist auch für die Beobachter deprimierend.
Konsequenz: Der ADHSler sollte auf andere hören und gemeinsam mit ihnen realistische Erwartungen entwickeln. Aus einem Scheitern können auch Schlussfolgerungen gezogen werden, statt dass man frohgemut erneut ins Messer läuft. Andere Menschen werden irgendwie immer in die Probleme von ADHSlern verwickelt und sind meist an deren Lösung beteiligt. So sehr der ADHSler gern selbständig und frei wäre, so sehr ist er in der Realität auf andere angewiesen.
Praktische Hinweise: Zur Selbststrukturierung kann man Wiedervorlagesysteme einführen (evtl. App: Any.do + Kalender von Any.do) oder einen anderen Menschen um Fremdstrukturierung bitten; er kann einem „Schubser“ – z.B. mit der Arbeit zu beginnen - geben. Der ADHSler braucht manchmal zeitlebens hilfreiche Partner und Freunde; deshalb hat Christine Beerwerth recht, wenn sie sagt: „Suche dir Menschen, die dir gut tun“ Gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz und hilfreiches Miteinander brauchen manchmal Jahre, bis sie voll entwickelt sind.
Konsequenz: Deshalb sollte man nicht noch mehr kontrollieren und prüfen: Einmal checken ist o.k., zweimal ist schon ein Zwang, d.h. man muss die Spannung aushalten und darf nicht erneut alles überprüfen. Je mehr man erneut kontrolliert, desto unsicherer wird man; dies kann zu einer Endlosschleife werden. Eventuell sollte der ADHSler seine Leid-toleranz (d.h. Leiden im Leben ist normal, ich halte es aus, so wie es nun mal so ist) erhöhen, denn er verliert, vergisst, verlegt, versäumt und verbummelt immer mal wieder etwas. Wenn man drüber lachen kann, hilft das am meisten. ADHSler mit diesem zwanghaften Stil können auch nach Jahren immer wieder an ihrer eigenen Diagnose zweifeln.
Konsequenz für die anderen: Sich wieder zu öffnen, wenn man angegriffen wurde, ist nicht leicht, insbesondere wenn dies an der Tagesordnung ist. Aber das Miteinander-Reden ist der einzige, wenn auch nicht leicht zu gehende Weg. Auch hier ist eine Erhöhung der Leid-toleranz evtl. hilfreich. Aus Erfahrung wissen alle, dass man gelegentlich zum „Feind“, aber auch wieder zum Freund werden kann. Wenn man selbst in keiner guten Verfassung ist, kann man auch (räumlich) Abstand nehmen, um eine Eskalation zu vermeiden und auch um sich zu schützen.
Exkurs: ADHSler können schwer erkranken, häufiger als Nicht-Betroffene. Neben dem ADHS-Blues, einer gelegentlichen Down-Stimmung, die Stunden oder auch Tage andauern kann, gibt es auch die deutlich andere schwere depressive Verstimmung, die länger andauert und viel heftiger ist. Bei einer schweren Depression führt dann meist kein Weg an einer hochdosierten antidepressiven Medikation vorbei. Diese kann man selbst eventuell gar nicht richtig einschätzen. Insofern braucht man auch hier einen anderen Menschen, der einen einmal bei Seite nimmt und einem in einem persönlichen Gespräch die Augen öffnet.
Manche von unseren Freunden in der SHG-Gruppe haben sehr wahrscheinlich gar keine Ahnung, wie sie auf ihre Gesprächspartner wirken; Selbst- und Fremdwahrnehmung stimmen eventuell überhaupt nicht überein. Es ist natürlich heikel, jemanden auf etwas anzusprechen, was er selbst nicht vermutet. Trotzdem sollte man jemandem spiegeln, dass er einen vorwurfsvollen Unterton hat und dass man sich angegriffen fühlt.
Auch bei unserer Arbeit gilt der wichtige Grundsatz, dass Störungen der Kommunikation immer Vorrang haben, also auch vor der Arbeit an den Projekten. Wenn jemand die Kommunikation stark belastet, sollte zuerst die Situation geklärt werden, bevor man weiter macht. Um es in einer Metapher zu sagen: Der Himmel sollte immer klar und hell sein, wenn Wolken aufziehen, redet man lieber direkt darüber. Manchmal haben wir aber auch schon das Kunststück fertig gebracht, ein komplettes schweres Gewitter zu übersehen. Insofern sollten wir unserem Bauchgefühl trauen, wenn etwas Atmosphärisches nicht stimmt, und sofort nachfragen. - „Störungen haben Vorrang“. Damit Störungen erst gar nicht entstehen, sollten wir den anderen signalisieren, wenn wir aktuell „schlecht drauf“ sind. So können sie etwaige „flapsige Bemerkungen“ oder einen zu scharfen Ton anders einordnen. Und bitte denken Sie daran: Nicht zuletzt spielt ein besseres Klima bei unseren Veranstaltungen für die Gewinnung von neuen Mitgliedern, die wir dringend brauchen, eine gewichtige Rolle.
Hier nun einige Tipps für ein besseres Gelingen von Diskussionsrunden:
In ADHS-Familien, wie auch in der SGH-Arbeit kann - nach gemeinsamer Absprache - auch eine Zeichensprache eingesetzt werden, die wir sowieso schon häufig verwenden. Einer kann ein Zeichen mit der Hand geben, andere können sich mit derselben Geste anschließen, wenn sie auch so empfinden. Natürlich kann eine mündliche Äußerung folgen, insbesondere dann, wenn der Angesprochene nicht sofort versteht.
6 Handzeichen:
Jeder ADHSler kennt aber manchmal auch dies: Wenn man sich mit einem anderen Betroffenen unterhält, dann kann es auch ganz unerwartet zu einem tiefen und berührenden Einvernehmen und großer Nähe kommen.
Dann merkt man: „Wir ticken sehr ähnlich!“ und spüren „Wir gehören zusammen!“.
P.S.: Leider sind wir bei der Aufklärungsarbeit über ADHS in Deutschland im Schneckentempo unterwegs. Viele Ärzte und Psychologen erkennen es immer noch zu selten oder lehnen es sogar ganz ab. Viele Hundertausende ADHSler werden immer noch wie die Lemminge über die Klippen getrieben. Das macht unsere Arbeit immer auch etwas traurig und belastend. Wir werden aber um jeden Lemming kämpfen!
Dipl.-Psych. Jörg Dreher, jdreher57
Psychotherapeut mit Schwerpunkt ADHS im Erwachsenenalter / Transitionspraxis
Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) haben in der Regel ein hohes Bedürfnis nach Struktur und Vorhersehbarkeit. Unerwartete Ereignisse und
Veränderungen aller Art stellen so oftmals eine Herausforderung dar.