6. Es bleibt nur ein „Verdacht“ auf ADHS – Was nun?
Bleiben Zweifel, besteht die Möglichkeit, diese den anderen Behandlern mitzuteilen. Gemeinsam kann man zu einer Diagnose kommen und diese vertiefen.
Bei einigen wenigen Patienten bleibt trotzdem schlussendlich nur einen Verdacht auf ADHS. Dann frage ich den Psychiater, ob er eventuell einen zeitlich auf vier Wochen befristeten „Ritalin-Test" mit dem Patienten
machen kann. Wenn die Stimulanzien wirken, dann kann mit viel Vorsicht geschlussfolgert werden, dass doch ADHS vorliegen könnte.
Beim Facharzt argumentiere ich so, dass bei einer nicht gegebenen Diagnose (falsch-negativ) langfristig ein größerer Schaden entstände als umgekehrt. Meiner Erfahrung nach hat in manchen Fällen der Kinderarzt
festgestellt: „Da liegt kein ADHS vor!“, obwohl die Kinder doch betroffen gewesen sind. Häufig kommen diese Patienten dann mit circa 20 Jahren, mit vielen komorbiden Störungen belastet, in meine Praxis. Bei einer
frühzeitigen Diagnose hätte eine Therapie schon viel früher starten können. In dem seltenen Fall, in dem die Evidenz für die Diagnose nicht ausreicht, aber doch deutliche Verdachtsmomente vorhanden sind, muss eben
doch der „Ritalin-Test“ gemacht werden.
Ansonsten sollten Sie sich lieber viel Zeit für die Diagnostik nehmen, weil der Patient sonst beim ersten gescheiterten Medikationsversuch sofort wieder an der Glaubwürdigkeit der Diagnose zu zweifeln beginnt.
Der beste Weg ist immer, wenn ADHS sowohl für den Therapeuten also auch den Patienten glaubwürdig feststeht. Dann kann man auch einen vielleicht sehr langen Weg der Medikationsfindung gemeinsam
durchhalten.
Anleitung zur Diagnostik und erste Therapieschritte - ADHS im Erwachsenenalter
Dipl.-Psych. Jörg Dreher, jdreher57
Psychotherapeut mit Schwerpunkt ADHS im Erwachsenenalter / Transitionspraxis